#02
Valloton fragt Valloton -
Einfach kleiden mit der Menswear Uniform

Lorenz O. Valloton
Letzte Woche habe ich in Wien auf der Straße einen Herren gesehen, dessen Erscheinung mich bis heute auf eine gewisse Weise beeindruckt. Er war Mitte fünfzig, auf eine gänzlich unangestrengte Art gut gekleidet und vermittelte mir in den wenigen Augenblicken, die ich ihn sah, das Bild eines kultivierten und freundlichen Mannes, der nichts beweisen musste. Ich muss gestehen, dass ich ihn sofort um seine Erscheinung beneidet habe, auch oder vor allem, weil ich danach lange über seine Kleidung nachdachte und feststellte, dass er den vielleicht idealen Weg gefunden hat, sich sehr gut zu kleiden ohne morgens lange nachdenken zu müssen, wie ich es täglich tue. 

Friedrich G. Valloton
Ich bin gespannt, mein Lieber. Details bitte.

Lorenz O. Valloton
Blauer Blazer, offenes Hemd, graue Hose, schwarze Loafer. Simple as that.

Friedrich G. Valloton
Eine Meanswear-Uniform. Ein kluger Mann, würde ich sagen.

Lorenz O. Valloton
Ich habe das für mich selbst so nie ernsthaft in Erwägung gezogen, obwohl ich das bei Ihnen so ähnlich auch schon gesehen habe. Jetzt aber tue ich es.

Friedrich G. Valloton
Sie werden eben älter. 

Lorenz O. Valloton
Denken Sie, das wäre erst ab einem bestimmten Alter eine geeignete Option?

Friedrich G. Valloton
Keinesfalls! Ich finde es schwierig an einem Zwanzigjährigen, aber ab dreißig - wunderbar. Man kann den Grad an Formalität in dieser Kombination ja auch durchaus anpassen.
Ich glaube, dass Sie selbst auch einen Modus in der Art sich zu kleiden gefunden haben, der dem von Ihnen beobachteten ähnelt, in einer anderen Form und Formalität natürlich. Sie tragen auch oft eine Uniform, aber es ist in Ihrem Fall eine Menswear-Uniform der Kreativen und Intellektuellen, meinen Sie nicht?

Lorenz O. Valloton
Sie meinen meine Anzüge, die so casual sind, dass nur noch die Form, etwa das Revers, an einen klassischen, formelleren Anzug erinnert, getragen mit T-Shirts und Baumwoll-Sneakern?

Friedrich G. Valloton
Ja, genau. Das ist auch ein Art Uniform. Ein Blick genügt um zu wissen, Wirtschaftsanwalt ist das keiner. Es ist sofort klar, da steht ein Kreativer.

Lorenz O. Valloton
Ich mag beide Stile, wobei es mich nicht zuletzt aufgrund dieser kurzen Begegnung seit einiger Zeit schon da hin zieht und weg vom für mich Gewohnten. Vielleicht ist das einfach ein Entwicklungsschritt, der sich da anbahnt.

Friedrich G. Valloton
Ja, das passiert natürlich, diese Umbrüche, auch das in Fragestellen, ob einem etwas noch adäquat erscheint, besonders in Ihrem Alter, wenn Sie mir erlauben, das zu sagen. Letztlich geht es so oder so immer um eines: Qualität.
Man kann tragen, was man will. Wenn es von hoher Qualität ist, in Material, Verarbeitung, Schnitt, Passform et cetera dann muss es fast zwangsläufig gut aussehen. Es mag unangemessen sein in einer Situation, seltsam kombiniert womöglich, aber schlecht nie.

Lorenz O. Valloton
Nehmen wir an, ich wollte eine Schritt in diese Richtung machen. Was empfehlen Sie mir zu tun?

Friedrich G. Valloton
Ich würde mir zunächst ansehen, was da ist. Und darauf aufbauend ergänzen. Aber nur dann, wenn es qualitativ wirklich Ihren Ansprüchen genügt, und ich weiß die liegen recht hoch, wie auch die meinen.

Lorenz O. Valloton
Meine Uniform ist eine andere, wie sie richtig bemerken. Ich denke, es ist wenig da, vielleicht das eine oder andere Hemd, das in dieses Konzept passen könnte.

Friedrich G. Valloton
Das ist ja schon etwas. Ich würde es ohnehin soweit casual halten wie es eben möglich ist. Die Transformation, so sie denn stattfinden soll, partiell jedenfalls, möge sanft sein. Sie werden sonst das Gefühl haben, sich verkleidet zu haben. Also eher weich gearbeitete Teile, besonders was das Jackett oder den Blazer betrifft.

Lorenz O. Valloton
Blazer ist nicht Blazer.

Friedrich G. Valloton
Nein, gewiss nicht. Man kann auch recht affig aussehen.

Lorenz O. Valloton
Ich sehe es vor mir. Nun gut, gehen wir zunächst von einem großzügigen Budget aus, aber doch mit klarem Blick darauf, was man bekommt für das vermutlich viele Geld. Wo würde die Reise hinführen?

Friedrich G. Valloton
Wenn es das Budget erlaubt, für den Blazer jedenfalls zum Maßschneider. Ich glaube nicht, dass ein noch so gut sitzender Ready-to-wear Blazer, was übrigens ein ausgesprochener Glücksfall wäre, es mit einem Bespoke Blazer aufnehmen kann. Man wird den Unterschied spüren, auch jene ohne Fachkenntnis oder ausgeprägtes Sensorium. Vor allem aber werden Sie selbst es spüren. Ein erstklassiger Blazer wird über die Jahre, die Sie ihn tragen, ein treuer Freund, das kann ich Ihnen versichern. Preislich geht es da bei den preisgünstigsten, aber keineswegs schlechtesten Optionen bei zweitausend Euro los. Üblicher sind aber drei- bis viertausend Euro und am oberen Ende eher fünf- bis sechstausend.

Lorenz O. Valloton
Das hatte ich befürchtet.

Friedrich G. Valloton
Ein anständiges RTW Teil kostet mindestens sechshundert, siebenhundert Euro. Dann noch ein wenig Geld für kleinere Änderungen, die unausweichlich sind. Der Bespoke Blazer kostet in der günstigen Variante das Dreifache. Angesichts dessen, dass er, wie ich sagte, ein langjähriger Freund sein wird, finde ich das vertretbar.

Lorenz O. Valloton
Variante heißt hier vermutlich Stoffvariante und vor allem für welchen Schneider ich mich entscheide.

Friedrich G. Valloton
So ist es.

Lorenz O. Valloton
Welchen Stoff würden Sie wählen?

Friedrich G. Valloton
Navy natürlich. Abgesehen davon den, den der Schneider empfiehlt. Damit ist man fast immer besser beraten als wenn man ihn selbst aussuchte. Der Mann, oder die Frau natürlich, hat Erfahrung. Sie nicht. Überhaupt verlassen Sie sich auf den Schneider. Langfristig macht Sie das glücklich. Diese Lektion musste ich auf kostspielige Art und Weise lernen.

Lorenz O. Valloton
Sie meinen, man macht teure Fehler?

Friedrich G. Valloton
Ja. Dann, wenn Sie sich nicht …

Lorenz O. Valloton
… auf den Schneider verlassen. 

Friedrich G. Valloton
Ich würde keinesfalls Metallknöpfe wählen. Das ist mein Stil nicht und Ihrer schon gar nicht. Und ich würde eine Hose aus gleichem Stoff anfertigen lassen. So wird der Blazer bei Bedarf zum Anzug. Es ist allerdings von größter Wichtigkeit, es so zu denken und keinesfalls umgekehrt, also: ich kaufe einen Anzug, und das Jackett ist dann mein Blazer. Nein und nochmals nein. Das wäre etwas anderes.

Lorenz O. Valloton
Hm.

Friedrich G. Valloton
Wie gesagt, ihr Schneider weiß Bescheid.

Lorenz O. Valloton
Wie geht es dann weiter?

Friedrich G. Valloton
Lassen Sie ihn auch eine Hose machen. Flanell mittelgrau. Und falls Sie noch Geld übrig haben, etwas leichteres ebenfalls in mittelgrau.

Lorenz O. Valloton
Und wenn das Geld schon nach dem Blazer aus ist?

Friedrich G. Valloton
Dann kaufen Sie RTW und lassen sie abändern. 

Lorenz O. Valloton
Es fehlen noch die Schuhe und ein Hemd, mehrere Hemden natürlich. Ich lebe schließlich im Gegensatz zu Ihnen nicht ausschließlich von Inspiration, sondern auch von Transpiration, ob es mir gefällt oder nicht.

Friedrich G. Valloton 
Die Schuhe, wir wollten schwarze Loafer für den Anfang, kaufen Sie abhängig von ihrem Budget bei Edward Green, Crockett & Jones, Carmina oder Meermin. Also zum Beispiel. Nehmen Sie noch eine braune Variante und schwarze Oxfords dazu, und Ihre Möglichkeiten wachsen ins Unendliche. 

Lorenz O. Valloton
Bleiben die Hemden.

Friedrich G. Valloton 
Die lassen Sie bei Venturini in Wien machen oder kaufen Sie von der Stange bei, hm … sagen wir Berg & Berg, Drakes oder Emanuel Berg. Es gibt viele Optionen. Und vergessen Sie nicht die Alternativen zum Hemd: Strick-Polos, Rollkragen.

Lorenz O. Valloton
Als ob Sie Strick-Polos trügen.

Friedrich G. Valloton
Ich nicht, aber ich fände es nicht falsch an anderen Menschen, sofern es sich um die richtigen Strick-Polos handelte. Etwa die von Permanent Style oder John Smedley, sehr schön.

Lorenz O. Valloton
Rollkragen sehen aber dann schon wieder nach Kreativuniform aus. Der Herr Architekt, oder?

Friedrich G. Valloton
Ich kenne viele Architekten. Rollkragen, natürlich in schwarz, sieht man aber mittlerweile recht selten. Da fällt mir eine kleine Anekdote ein: ein befreundeter Architekt erzählte mir einmal, er wäre vor Jahren einmal in der Therme Vals von Peter Zumthor gewesen. Nie habe er so viele Männer in schwarzen Badehosen gesehen. 

Lorenz O. Valloton
Architekten auf Architektur-Pilgerreise.

Friedrich G. Valloton
Alles andere wäre in Kombination mit dem verarbeiteten Valser Quarzit aber auch eine Zumutung. Aber zurück zum Rollkragen. Ich finde das etwas ganz Wunderbares, und es gibt sie ja nicht nur in schwarz. Für den Sommer freilich ungeeignet, aber in leichteren Qualitäten auch im Frühling und Herbst gut einsetzbar.  

Lorenz O. Valloton
Nun gut. Ich werde morgen zur Bank gehen und sehen, was sich machen lässt. 

Friedrich G. Valloton
Dann geht der Schottische heute auch mich, Sie Armer. Cheers!