#13
Valloton fragt Valloton - Wie wir wohnen wollen

Lorenz O. Valloton
Wie ist Ihr idealer Wohnzustand?

Friedrich G. Valloton
Ich glaube nicht, dass es den gibt. Es gibt allenfalls einen idealen Geisteszustand, der es einem erlaubt, einen Zustand, einen Lebenszustand oder eben auch einen Wohnzustand als ideal und damit uneingeschränkt angenehm zu finden. Können Sie ihn für sich definieren?

Lorenz O. Valloton
Nein. Ich fantasiere manchmal davon, aber in der nächsten Sekunde schon wird mir klar, dass auch die Fantasie nicht einen idealen Wohnzustand herbeizuführen imstande wäre. It´s a state of mind. Eine Geisteshaltung. Das meinten Sie, oder?

Friedrich G. Valloton
Das ganze Leben ist eine Geisteshaltung, abgesehen von grauenhaften Umständen, die außerhalb Ihres Einflussbereiches liegen und unter denen auch die gesündeste Geisteshaltung nicht mehr zu helfen vermag.

Lorenz O. Valloton
Und dennoch fantasieren wir gerne vom vermeintlichen Ideal. Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Wohnsituation Ihren Idealvorstellungen schon recht nahe kommt.

Friedrich G. Valloton
Sie ist gut. Aber es kommt der Moment, in dem man sich wünscht, alles läge näher beieinander, alles wäre etwas übersichtlicher, etwas größer, etwas ruhiger, etwas lebhafter et cetera. 

Lorenz O. Valloton
Die Stadt-Land-Frage.

Friedrich G. Valloton
Die von allen unentwegt gestellt wird. Eigentlich das ganze Leben hindurch, um am Ende festzustellen, dass man alles, aber auch wirklich alles falsch gemacht hat oder aber auch, dass es schon gut war, so wie es war, ohne es freilich wirklich zu glauben.

Lorenz O. Valloton
Alle wollen ständig ins Waldviertel, an den Starnberger See, ins Piemont oder nach Apulien.

Friedrich G. Valloton
Es muss immer und fast überall besser sein, als da, wo wir jetzt sind. Ich nehme für mich in Anspruch, diese Irrungen frühzeitig erkannt zu haben. Daher lebe ich so glücklich, wie ein Mensch es eben sein kann, mit den Einschränkungen und Unzulänglichkeiten, die zu mir und meinem Leben gehören. Und das sind einige mehr, als ich zuzugeben bereit bin.

Lorenz O. Valloton
Was bedeutet es überhaupt gut zu wohnen? Was gehört unbedingt dazu?

Friedrich G. Valloton
Es sollte sicher sein, warm, trocken und ruhig. Man sollte etwaigen Mitbewohnern zugetan sein. Eine gute Matratze gehört in meiner Altersklasse unbedingt dazu. 

Lorenz O. Valloton
Das klingt, als wäre es ganz einfach und gar nicht so viel. Aber ich fürchte, es ist weit mehr, als die meisten von uns haben.

Friedrich G. Valloton
Das denke ich auch. Es fehlt wohl am häufigsten an der Ruhe.

Lorenz O. Valloton
Sie sind heute wieder zu Scherzen aufgelegt.

Friedrich G. Valloton
Ich kenne ganz konkret jemanden, der besitzt ein ganzes, sehr großes Haus, darin auch ein paar Wohnungen, um sie zu vermieten, ein schönes Büro, ein Grundstück am See und darauf wieder ein etwas kleineres, aber ebenso schönes Haus, ein Eiland zwischen zwei Flüssen mit Bäumen und Pflanzen sonder Zahl, eine Wohnung im Zentrum einer schönen Stadt und tausend schöne Dinge, mit denen er all das ausstattete. Eine Mitbewohnerin, der er von Herzen zugetan sein kann, gibt es nicht. Er ist ein armer und wirklich bedauernswerter Mann. Er tut mir leid.

Lorenz O. Valloton
Im Grunde, mein verehrter Valloton, sind Sie ein hoffnungsloser Romantiker.

Friedrich G. Valloton
Ich bin zu weich, zu versöhnlich. Ein glücklicher Narr. Es wäre gesünder, ein glücklicher Tyrann zu sein.

Lorenz O. Valloton
Den gibt es nicht, und Sie wissen es.

Friedrich G. Valloton
Lassen Sie uns lieber noch ein paar Banalitäten über das Wohnen austauschen.

Lorenz O. Valloton
Das geht nun nicht mehr.

Friedrich G. Valloton
Das tut mir leid. Sie wissen, ich bin dem Banalen und dem Unernsten sonst sehr zugetan.

Lorenz O. Valloton
Heute aber wollen wir fortan schweigen und es dabei belassen.

Friedrich G. Valloton
Wunderbar. Ganz wunderbar, mein Lieber.