Total solar eclipse
1999

Am 11. August 1999 fand in Europa eine Sonnenfinsternis statt. In einem rund einhundert Kilometer breiten Korridor, der sich von Südwest-England über Nordfrankreich, Süd-Deutschland und Teile Österreichs bis hinunter an das Schwarze Meer erstreckte, kam es gar zu einer seltenen, totalen Sonnenfinsternis.
Ich befand mich an diesem Mittwoch, den 11. August 1999, auf 16 Grad, 21 Minuten und 1,6248 Sekunden östlicher Länge und 47 Grad, 14 Minuten und 12,2591 Sekunden nördlicher Breite auf dem Balkon meines Elternhauses im Burgenland und damit ziemlich exakt unter der Central Line dieses Korridors. Es war ein warmer Sommertag mit überwiegend bedecktem Himmel.

Als um 11:24 Uhr die partielle Finsternis begann, hatte ich bereits das Stativ positioniert. Darauf befand sich eine japanische Bronica S2a Mittelformat-Kamera mit einer gemäßigten Tele-Optik. In der Kamera befand sich ein Kodak Dia-Rollfilm der Type Ektachrome E100S.
Die zunehmende partielle Finsternis verlief unspektakulär, auch weil die Sonne die überwiegende Zeit durch Wolken verdeckt war. Um 12:46 Uhr sollte an meinem Standort die totale Finsternis eintreten, und die Hoffnung, dass es freie Sicht auf das Jahrhundertereignis geben würde, schwand minütlich. Die Wolken blieben.
Ich hatte mit einem Gossen Belichtungsmesser das Umgebungslicht gemessen, versuchte die voraussichtliche Abdunkelung bei Eintritt der Finsternis abzuschätzen und stellte mit schwitzenden Händen Blende und Belichtungszeit ein in der Hoffnung innerhalb jenes Bereiches zu bleiben, der eine ansprechende Durchzeichnung des eingelegten Positiv-Materials ermöglichen würde. 

Wenige Augenblicke vor dem errechneten Eintritt der totalen Finsternis wurde es still. Sehr still.
Die Vögel hörten auf zu zwitschern, die Grillen hörten auf zu zirpen, die Hunde beendeten ihr Bellen, die Hühner der Nachbarschaft erstarrten. Die Welt um mich hielt den Atem an und ich mit ihr. Es war dunkel geworden.

Die Wolkendecke löste sich und gab den Blick frei auf die funkelnde Korona. Meine Welt stand still.

Ich betätige den Auslöser. Ich transportierte den Film, verstellte die Blende, belichtete erneut und tat dies ein paar weitere Male. Nach zwei Minuten trat die Sonne aus der totalen Finsternis hervor. Abzulesen war das nur an der wenige Augenblicke dauernden Rückkehr der Helligkeit, die relativ rasch wieder normales Tages-Niveau erreichte. Die Vögel zwitscherten, die Grillen zirpten, die Hunde warteten noch mit dem Bellen, die Hühner schienen verwirrt und gackerten auf eine seltsame Weise. Ich atmete einige Male kräftig durch im Bewusstsein, dass dies ein singuläres Erlebnis in meinem Dasein bleiben würde.

Einige Tage später lagen die 6x6 Zentimeter großen Dias auf meinem Leuchtpult unter der Lupe. Ich sah neben einigen missglückten Belichtungen diese Aufnahmen vor mir. Ich bekam eine Gänsehaut. So, wie ich sie auch heute noch bekomme, nach 25 Jahren.

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Rehab before demolition